Samstag, April 27, 2024

Anfänge und Entwicklung des Alevitentums – İsmail Kaplan

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Das AlevItentum entwIckelte sIch wIe eIn Fluss

Noch bevor es Gott und seinen Kosmos gab,
erschufen wir Ihn und machten Ihm bekannt.
Edip Harabi

Unter Aleviten gibt es noch keine einheitliche und zufriedenstellende Erklärung über die Herkunft der Aleviten, da das Alevitentum unter den Aleviten sowohl eine ethnische Vielfalt als auch bezüglich ihrer Glaubensehre einen spezifischen Charakter vorzuherrschen hat.

Um die Identität der Aleviten zu verdeutlichen, stelle ich hier vor, dass sich das Alevitentum wie ein Fluss entwickelt und dabei seine Eigenschaften ändert. Nehmen wir den Fluss Elbe als Beispiel. Die Elbe ist einer der längsten Flüsse Europas. Sie hat sehr viele Nebenflüsse, z.B. Labe, Sazava, Vitava, Schwarze Elster, Mulde, Saale (Unstrut, Ilm, Bode, Weiße Elster), Ohre, Havel, Elde, Sude.

Die Elbe entspringt im Riesengebirge in einem Hochmoor im tschechisch-polnischen Grenzgebiet. So gesehen hat die Elbe mehrere Quellen. Das WaswMündung in Cuxhaven nicht derselbe.

Auch das Alevitentum hat sich auf seinem Weg wie ein Fluss entwickelt und verändert. Es gibt wie beim Flusswasser die wichtigen Bestandsteile des Alevitentums wie das Gottesverständnis und Ziele des Gebetes, die dauerhaft angelegt sind.Wenn die Inhalte alevitischer Glaubensgrundsätze, Gebete und Rituale, Traditionen und Kultur analysiert werden, kann man feststellen, dass das Alevitentum sein Inhalt aus vielen verschiedenen Regionen, Religionen, Kulturen und Ethnien schöpft.

Im Folgenden werden einige wichtige Elemente im Alevitentum benannt und auf ihre Ursprünge hingewiesen. Die Zahlen bezeichnen hier die Kultur- und Glaubenselemente, die auf der nächsten Karte markiert sind.

1. Naturverbundenheit: Begriffe wie Feuer, Humus, Berge, Flüsse, Wälder, bestimmte Tiere, Weizen und Wein sind im Alevitentum wichtig, wie vor 8 bis 6.000 v. Chr. in Anatolien.

2. Menschzentrierter Glaubensansatz: Die Seele, die Vernunft und der Verstand, das Erkennen Gottes sowie die Göttlichkeit der Natur sind wichtige Elemente im alevitischen Glauben. Diese Begriffe waren schon vor 1.800 v. Chr. in Griechenland und Anatolien bekannt.

3. Mythen wie Hızır, Gilgamesch / Ischtar, Tor-Ritual (kapı), Neujahr/Nevruz entwickel ten sich vor 1.800 v. Chr. in Mesopotamien.

4. Zeremonien wie semah-ähnliche Rituale, religiöse Gesänge, transzendentale Erfahrungen, Spiritualität waren vor 1.800 v. Chr. im und um den Iran herum bekannt.

5. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gab es 500 n. Chr. bei den Göktürken und Chinesen in der Altairegion bzw. in China.

6. Der Glaube an den Kreislauf der Seelen als Reinkarnation geht auf den reformierten, Buddhismus in Nordindien 400-600 n. Chr. zurück.

7. Märtyrerverehrung wie für Hl. Hüseyin findet man bei Formen der nestorianischen Liturgie in der assyrischen Kirche 700 n. Chr. in Mesopotamien.

8. Vertikale Verhältnisse wie zwischen ana / dede und talip gab es auch bei den Schamanen 1.000 n. Chr. in Mittelasien und dem Iran.

9. Der Ali-Kult nach Abstammungsprinzip wurde 1.000 n. Chr. in Arabien entwickelt.

Die Ursprünge von alevitischen Glaubenselementen haben nicht einen Anfang, sondern mehrere Anfänge bzw. mehrere Quellen. Nicht nur alevitische Glaubenselemente, die verschiedene Ursprünge vorweisen, sondern auch die Aleviten selbst haben unterschiedliche ethnische Herkünfte. Aleviten haben türkische, kurdische, arabische, turkmenische, armenische, bulgarische, persische, afghanische Abstammungen.

Das Alevitentum wurde von Menschen und Menschengruppen getragen und entwickelt, die sich in Asien von Osten nach Westen bewegten. Nicht nur ihre Glaubenselemente aus verschiedenen Kulturen verschmolzen miteinander, sondern auch die Aleviten selbst als Träger der Kulturen und Religionen.

So gesehen ist das Alevitentum eine Synthese von mehreren Religionskulturen. Nach Ismail Özmen hat das Alevitentum viele Elemente aus anderen Kulturen aufgenommen und sie zu eigen gemacht. Özmen bezeichnet das Alevitentum den Träger (taşıyıcı) der Kulturen. Insbesondere die alevitischen Dichter arbeiten nach Özmen wie die Bienen. Bienen sammeln Nektar und Honigtau; beides wird später zu Honig umgewandelt.

Auch alevitische Dichter sammelten wie die Bienen Elemente aus verschiedenen Kulturen und verfassten daraus neue Gedichte.

Der alevitische Dichter Aşık Daimi (gest. 1983) formuliert die Verschmelzung wie folgt:

Bir gerçeğe bel bağladım erenler
Aldı benliğimi bitirdi beni
Damla idim bir ırmağa karıştım
Denizden denize götürdü beni
Nice kabdan kaba boşaldım doldum
Karıştım denize deniz ben oldum
Damlanın içinde evreni buldum
Yine benden bana getirdi beni

An eine Wahrheit glaubte ich und folgte ihr.
Sie nahm mein Ich von mir weg.
Ich war ein Tröpfchen, floss in einen Fluss hinein.
Er zog mich von Meer zu Meer.
Ich wechselte von einem Gefäß ins andere.
Ich vermischte mich ins Meer, wurde das Meer selbst.
Ich fand das Universum in meinem Tröpfchen.
Die Wahrheit nahm mich von mir und brachte mich zu mir.
(Übersetzung: İsmail Kaplan)

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