Samstag, April 20, 2024

„Engagement kennt viele Formen“

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Die SPD-Politikerin Elvan Korkmaz ist seit zwei Jahren Abgeordnete des Bundestages und seit acht Jahren politisch aktiv. Sie war von 2010 – 2013 im Vorstand des Bundes der Alevitischen Jugendlichen (BDAJ) aktiv. Engagement war und ist für die 34-jährige Gütersloherin wichtig. Nun nahm Sie sich Zeit, den Fragen der Redaktion Rede und Antwort zu stehen.

Interview von Ali Sirin

Frau Korkmaz, sie sind seit zwei Jahren Bundestagsabgeordnete, wie ist das politische Leben in Berlin?

Es ist anstrengend, sehr interessant und macht eine Menge Spaß. Zum Glück findet das politische Leben aber nicht nur in Berlin, sondern regelmäßig auch in meiner Heimat, dem Kreis Gütersloh statt. Denn die Wochen in meinem Wahlkreis sind für mich genauso wichtig, wie die Sitzungswochen im Bundestag.

Was hat Sie seither überrascht – positiv wie negativ?

Ich war tatsächlich überrascht davon, wie schnell ich mich eingelebt habe. Es gab gar keine große Orientierungsphase. Seither bewerte ich meine ganze Arbeit positiv. Ich führe viele Gespräche, arbeite mich immer tiefer rein und bringe die Themen voran, die mir wichtig sind. Das ist ein gutes Gefühl.

Auf der anderen Seite, wenn ich an etwas Negatives denke, fällt mir zuerst die AfD ein. Die Stimmung im Plenarsaal verändert sich zunehmend, weilsie mit immer drastischeren Wortbeiträge und noch schärferen Zwischenrufen Aufmerksamkeit bekommen wollen.

Was sind Ihre politischen Schwerpunkte? Wie sieht Ihre Politik aus?

Ich bin Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Digitale Infrastruktur sowie im Ausschuss Digitale Agenda. Ich spreche gerne von Zukunftsausschüssen, denn die Themen die bei uns behandelt werden, sind aus meiner Sicht die entscheidenden Zukunftsfragen: Wie gestalten wir die Digitalisierung? Welche Bedeutung hat die Digitalisierung z.B. auf Arbeitsplätze in der Zukunft? Wie schaffen wir es, dass der Netzausbau und die Versorgung mit schnellem Internet endlich überall in Deutschland funktionieren? Und im Bereich Verkehr gibt es natürlich auch jede Menge zu tun – mehr Investitionen in die Schiene, weniger Emissionen durch den Verkehrssektor, mehr Geld für den öffentlichen Personenverkehr und undund. Besonders freut es mich, dass ich außerdem im neu geschaffenen Ausschuss für Stadtentwicklung und Kommunen als stellvertretendes Mitglied mitbekomme, was dort diskutiert wird, denn ich bin neben meinem Mandat in Berlin auch Kommunalpolitikerin im Gütersloher Kreistag und komme aus der Stadtentwicklung. Das interessiert mich natürlich!

Es wird viel über die Politiker*innen geschimpft. Was entgegnen Sie den Kritiker*innen?

Naja, es kommt auf die Art der Kritik an. Manches stört mich ja selber auch. Besonders stört mich zum Beispiel, wenn es öffentlich immer nur um die nächste Provokation geht und sich Debatten über Tage um Themen drehen, die eigentlich keinem Menschen weiterhelfen. Davon hatten wir ja in den letzten zwei Jahren genug – ich sage nur Seehofer. Auch wenn so manche Schreihälse oft laut sind, sind die am Ende nicht diejenigen die wirkliche Politik machen.

Ich finde daher, dass „die Politiker“ etwas zu kurz gegriffen ist, denn die Mehrzahl meiner Kolleg*innen macht einen wirklich guten Job. Und nur dann arbeiten wir daran, dass sich das Leben der Menschen konkret verbessert.

Warum sollten wir uns politisch engagieren?

Politisches Engagement beginnt ja meistens im Kleinen. Ich habe zum Beispiel damals zunächst im BDAJ mitgearbeitet und dort dann nach und nach immer mehr Verantwortung übernommen. Gerade die ehrenamtliche Arbeit in unserem Verband hat mir ganz viel mitgegeben an Erfahrungen und Fähigkeiten, die mir noch heute bei meiner politischen Arbeit weiterhelfen. Politisches Engagement ist heute wichtiger denn je und es ist besonders wertvoll, wenn Menschen sich politisch engagieren, die neue Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringen. Nicht jeder davon muss gleich für den Bundestag kandidieren. Engagement kennt viele Formen und viele davon bereichern die politische Landschaft.

Wie beurteilen Sie die Fridaysfor Future-Bewegung?

Das ist ja eines der Beispiele von politischem Engagement, die ich meine. Ich finde es klasse, dass so viele junge Menschen sich durch ihren Protest und die Klimastreiks für eine andere Politik engagieren und die Politik zu mehr Engagement auffordern. Die Reaktionen so mancher Politiker zeigen, dass das natürlich auch unbequem ist. Aber gerade beim Klimaschutz dürfen wir es uns nicht bequem machen, sondern brauchen entschiedene und mutige Taten.

Können Sie Rezos politischem Engagement etwas abgewinnen? Der Youtube-Star hat mit seiner Video-Kritik für viel Wirbel gesorgt.

Auch hier gilt – politisches Engagement kann viel erreichen. Natürlich stimme auch ich nicht mit allem überein was Rezo in seinem Video gesagt hat, aber er hat damit eine Debatte angestoßen und vor allem hat er ganz viele junge Menschen angesprochen, von denen viele immer behauptet haben, dass die sich eh nicht für Politik interessieren würden. Ich glaube der Wirbel tut der Politik ganz gut!

Was muss die SPD tun, um wieder das Vertrauen der Menschen zu gewinnen?

Wir müssen vor allem aufhören uns mit uns selber zu beschäftigen und ständig zu versuchen die Debatten von gestern zu wiederholen. Die Welt steht vor so großen Herausforderungen. Da braucht es eine SPD, die mutig und geschlossen ist und konkrete Politik für die Herausforderungen der Zukunft wie die Digitalisierung, den Klimawandel und auch die Kernaufgabe der SPD, die soziale Gerechtigkeit, anbietet.

Sie waren lange in der Alevitischen Gemeinde Gütersloh und auch im BDAJ aktiv. Besteht der Kontakt noch?

Ja natürlich. Auch wenn ich dem Vorstand nicht mehr angehöre sind der BDAJ und die Alevitische Gemeinde mir noch immer sehr wichtig. Allein schon wegen der vielen Freundschaften aus der ganz aktiven Zeit bleibe ich dem BDAJ natürlich immer eng verbunden. Einige Aleviten konnte ich sogar schon im Bundestag empfangen und eine Andacht zum Hizir ausrichten.

Vielen Dank für das Interview!

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